Vor 135 Jahren – am 1. September 1875 – begann die Westersteder Eisenbahngeschichte mit der Eröffnung der Sekundärbahnlinie Westerstede-Ocholt. Einige Jahre zuvor, 1869, war Westerstede bei dem Bau der Bahn Oldenburg-Leer abseits liegengeblieben. Daraufhin taten sich Westersteder Bürger zusammen und gründeten die „Ocholt-Westersteder Eisenbahn Gesellschaft“, die mit einer Schmalspurbahn den Anschluss an das grosse Eisenbahnnetz herstellen sollte. Der Gastwirt Oetken stellte seine Gaststätte (heute: Restaurant „Zum alten Bahnhof“, Wilhelm-Geiler-Straße) als Stationsgebäude zur Verfügung.
Anfang dieses Jahrhunderts entschloss sich dann die staatliche Eisenbahnverwaltung, die „Großherzogliche Oldenburgische Eisenbahn“ (GOE), den nordwestlichen Teil des Großherzogtums bahnverkehrsmäßig besser zu erschliessen.
Die GOE übernahm die Privatbahn, stellte sie von Schmal- auf Normalspur um und eröffnete im Jahre 1905 die Strecke von Westerstede nach Grabstede, wo diese an eine von Ellenserdamm kommende Stichbahn anschloss. Gleichzeitig wurde der Bau eines repräsentativen Empfangsgebäudes begonnen, welches 1906 fertiggestellt wurde.
In Neidhardt „Baudenkmäler im Oldenburger Land“, Oldenburg 1980, wird dieses Bahnhofsgebäude geschildert als „gelungenes Beispiel für den Versuch, aus historischer Baugesinnung einem modernen Zweckbau das Aussehen des Uralten und durch die Zeiten Gewachsenen zu verleihen“ (Seite 221 aaO). „Die Straßenseite soll durch die Verwendung von Formen und Materialien, die verschiedenen Epochen zugehören, eine lange Bauzeit vorschützen. So zeigt die untere Zone des aufgehenden Mauerwerks das Aussehen eines Polygonalgefüges aus Natursscheinen, um bedeutendes Alter zu signalisieren. Der Rundturm läßt an eine mittelalterlich Burg denken, besitzt aber eine barokisierende Haube. Das reiche Portal ist im Sinne deutscher Renaissance gemeint, und die Fensterformen wechseln bunt durch die Epochen“ (Seite 251 f aaO).
In diesem Zustand stellt sich das unter Denkmalschutz stehende Gebäude heute nach der Restaurierung wieder dar. Auch die Innenräume der Gaststätte haben im wesentlichen ihr ursprüngliches Gesicht zurückerhalten; die Thekenanlage, das Mobiliar ist wiederhergestellt worden; an den Innenwänden sind die alten Jugendstil- bzw. Art-deco-Malereien neu entstanden.
So möge das Gebäude uns allen -mit vielfältigem Leben erfüllt- lange erhalten bleiben.
Hans-Richard Schwartz